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Gesellschaftsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie

Mit dem Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetz (BGBl I Nr. 16/2020, geändert mit BGBl I Nr. 24/2020 - COVID-19-GesG) wurde vom Gesetzgeber nunmehr die Grundlage für die Abhaltung von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen ohne zwingende physische Teilnahme der Gesellschafter und Organmitglieder geschaffen und die Justizministerin ermächtigt, die nähere Ausgestaltung solcher „virtueller Versammlungen“ mittels VO zu regeln.

Von dieser Ermächtigung wurde mit VO der Justizministerin vom 08.04.2020 (Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung – COVID-19-GesV[1]) Gebrauch gemacht. Die VO tritt rückwirkend mit 22.03.2020 in Kraft und gilt vorerst, wie ihre gesetzliche Grundlage, befristet bis 31.12.2020. Erfasst wurden Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern von Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Genossenschaften, Privatstiftungen, Vereinen, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, kleinen Versicherungsvereinen oder von Sparkassen.

Das COVID-19-GesG sieht über die Möglichkeit der Abhaltung von virtuellen Versammlungen hinaus außerdem vor, dass gesellschaftsrechtliche Vorgänge und Beschlussfassungen, die ansonsten innerhalb bestimmter Fristen oder zu bestimmten Terminen notwendig gewesen wären, aufgeschoben werden können. So kann die Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses gemäß § 222 Abs 1 UGB um vier Monate verlängert werden, wenn dem Leitungsorgan der Gesellschaft eine rechtzeitige Aufstellung (innerhalb der ersten fünf Monate des Geschäftsjahrs) infolge der COVID-19-Pandemie nicht möglich ist (§3a Abs 1 COVID-19-GesG). Die Feststellung des Jahresabschlusses der GmbH durch ihre Gesellschafter muss erst innerhalb von zwölf Monaten des Geschäftsjahrs, beim Regelgeschäftsjahr daher bis zum 31.12.2020, erfolgen (§ 2 Abs 3 COVID-19-GesG). Demgemäß verlängert wurde auch die Offenlegungsfrist des § 277 UGB, Jahresabschlüsse sind daher ebenfalls erst innerhalb von 12 Monaten des Geschäftsjahrs beim Firmenbuch einzureichen (§3a Abs 1 COVID-19-GesG). Besondere gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Fristen hierzu wurden ebenfalls ausgesetzt (§ 2 Abs 4 COVID-19-GesG).

Schließlich müssen konsequenterweise Ordentliche Hauptversammlungen einer AG und ordentliche Generalversammlungen einer GmbH nun nicht mehr in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs (§ 104 Abs 1 AktG, § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG) stattfinden, vielmehr reicht es, wenn diese in den ersten zwölf Monaten des Geschäftsjahres abgehalten werden (§ 2 Abs 1 COVID-19-GesG).

Da freilich auch in Krisenzeiten gesellschaftsrechtliche Versammlungen notwendig sein werden (man denke nur an die Vorgaben des § 36 Abs 2 GmbHG oder die Minderheitenrechte in § 37 Abs 1 GmbHG bzw § 105 Abs 3 GmbHG, bzw allenfalls notwendige Gesellschaftsvertrags- und Satzungsänderungen, die in die Zuständigkeit der Gesellschafter fallen, etc.) wurde die Durchführungsverordnung für die nähere Ausgestaltung der virtuellen Versammlungen sehnlichst erwartet.

Diese sieht im Grundsatz vor, dass eine virtuelle Versammlung dann zulässig ist, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit (dh im Regelfall per Videokonferenz) besteht. Dabei muss es jedem Teilnehmer möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit geschaffen, an der Versammlung nur mittels akustischer Verbindung (etwa einer Telefonverbindung) teilnehmen, falls einzelne Teilnehmer nicht über die technischen Mittel für eine Videokonferenz verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen. Höchstens jedoch die Hälfte aller Teilnehmer können diese Erleichterung in Anspruch nehmen. Das einberufende Organ der Gesellschaft hat in der Einberufung der virtuellen Versammlung anzugeben, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der virtuellen Versammlung bestehen.

Besondere Bestimmungen bestehen für Hauptversammlungen von AG sowie Generalversammlungen von Genossenschaften und Vereinen, um dem regelmäßig großen Teilnehmerkreis solcher Gesellschaften Rechnung zu tragen. Bei Aktiengesellschaften ist es ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht, wobei der einzelne Aktionär dem Verlauf der Versammlung nur folgen kann, aber auf andere Weise in die Lage versetzt wird, während der Versammlung Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Bei börsenotierten AG und AG mit mehr als 50 Aktionären kann von Seiten der Gesellschaft vorgesehen werden, dass die Ausübung der Aktionärsrechte in der virtuellen Hauptversammlung nur durch einen besonderen Stimmrechtsvertreter erfolgen kann. Dabei hat die Gesellschaft vier geeignete und von der Gesellschaft unabhängige Personen vorzuschlagen, von denen zumindest zwei Rechtsanwälte oder Notare sein müssen. Aus diesen kann der Aktionär einen besonderen Stimmrechtsvertreter wählen.

Im Zusammenhang mit der Abhaltung von virtuellen Versammlungen ist auch auf den mit 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I Nr. 24/2020) neu eingeführten § 90a NO hinzuweisen. Demnach sollen notarielle Amtshandlungen (die auch im Rahmen von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen oftmals erforderlich sind) wie die Errichtung eines Notariatsakts, eines notariell beurkundeten Protokolls bzw eine notarielle Beglaubigung unter sinngemäßer Anwendung von § 69 b Abs 2 und 3 sowie § 79 Abs 9 NO auch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit (§ 69b NO) vorgenommen werden können.

Mit vorgenannten neuen Maßnahmen des Gesetzgebers bzw der Justizministerin soll den Gesellschaften Flexibilität gegeben werden, Versammlungen auch in Krisenzeiten geordnet abhalten zu können. Ob diese Möglichkeiten wie erhofft in Anspruch genommen werden, bzw die getroffenen Regelungen ausreichend sind oder ob Nachschärfungen erforderlich sein werden, wird die Praxis in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.

Bei Fragen zu gesellschaftsrechtlichen Themen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie stehen Ihnen bei wkk law Rechtsanwälte Prof. Dr. Georg Eckert (g.eckert@wkklaw.at), Dr. Nikolaus Adensamer (n.adensamer@wkklaw.at) und Rechtsanwaltsanwärter Mag. Maximilian Breisch (m.breisch@wkklaw.at) sehr gerne und jederzeit zur Verfügung. Zu den neu geschaffenen Möglichkeiten im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Versammlungen, welche verschiedene Problemstellungen mit sich bringen, wird von uns in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht (GesRZ) ein ausführlicher Beitrag erscheinen.


[1] BGBl II Nr. 140/2020: 140. Verordnung der Bundesministerin für Justiz zur näheren Regelung der Durchführung von gesellschaftsrechtlichen Versammlungen ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer und von Beschlussfassungen auf andere Weise vom 08.04.2020.